Embodiment – die Wechselwirkung von Körper und Psyche als Ressource nutzen

von | Feb 7, 2024 | Allgemein | 0 Kommentare

Sicher kennst du körpersprachliche Metaphern wie „den Kopf hängen lassen“ oder „eine Last auf den Schultern tragen“. Bei jeder dieser Formulierungen haben wir sofort ein Bild im Kopf und eine genaue Vorstellung davon, wie sich eine Person fühlt, die so beschrieben wird. Wir lesen aus Mimik, Gestik, Haltung und Bewegungsmustern, wie es unserem Gegenüber geht und was für eine Intention er oder sie hat.

Aber wusstest du, dass Körpersprache zu großen Teilen auch ein Selbstgespräch ist?

Die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche

Über deinen Gesichtsausdruck, deine Haltung oder deine Bewegungsmuster beim Gehen holt sich dein Organismus Rückmeldungen drüber, was in dir vorgeht.

Aus der psychologischen Forschung weiß man, dass es sogenannte reziproke Prozesse zwischen Mimik und Psyche gibt. Man hat festgestellt, dass man nicht nur lächelt, weil man fröhlich ist – also, dass zuerst die Stimmung da ist und dann kommt der körpersprachliche und mimische Ausdruck, sondern, dass auch umgekehrt, die Aktivierung der Mimik, die für das Lächeln zuständig ist, Menschen in eine fröhliche Stimmung bringt. Das zeigten psychologischen Studien, bei denen über einen Stift zwischen den Zähnen die Lachmuskulatur aktiviert wurde.

Es scheint also so zu sein, dass etwas in unserem Gehirn mit einem Abgleich beschäftigt ist, wie wir unsere Gesichtsmuskeln bewegen. Wenn dann die Rückmeldung kommt „ah, sie lächelt“, dann schickt unser Gehirn freundlicherweise die passende Stimmung hinterher.
Obwohl man die Wechselwirkung zwischen Gesichtsausdruck und Mimik schon lange kennt, hat es noch geraume Zeit gedauert, bis man diese Reziprozität nicht nur für die Mimik, sondern die gesamte Körpersprache untersucht hat.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Art und Weise, wie jemand sitzt oder steht, Einfluss darauf haben, wie die Person im Anschluss Informationen verarbeitet. Experimente zeigten, dass Menschen, die unter einem Vorwand eine Zeit lang in einer gebeugten Haltung sitzen sollten (ähnlich der Position, die viele Menschen beim Scrollen auf dem Smartphone einnehmen), im Anschluss bei der Bewältigung von Aufgaben weniger kreativ sind und bei der Lösung schwieriger Aufgaben schneller aufgeben als die Vergleichsgruppen. Eine aufgerichtete Körperhaltung hingegen führte zu mehr Selbstbewusstsein, kreativeren Lösungen und einem besseren Durchhaltevermögen.

Achte im Alltag immer wieder auf deine Körperhaltung und deinen Gesichtsausdruck: Welches Art von Selbstgespräch führst du gerade? Was verändert sich, wenn du die Gesichtsmuskeln entspannst, vielleicht sogar lächelst und dich aufrichtest?

Embodiment: Im Körper zu Hause zu sein

Die oben beschriebene Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper wird in der psychologischen Forschung als Embodiment bezeichnet. Alle wichtigen Informationen, die unser Gehirn nachhaltig speichert, sind an ein Gefühl und eine Körperwahrnehmung gekoppelt. Sie sind sozusagen in den Körper eingebettet. All unsere Erfahrungen sind „verkörpert“. Alles, was wir denken, geht auch mit körperlichen Aktivitäten einher. Wer an „Zimt“ denkt, aktiviert Gehirnbereiche, die für Gerüche zuständig sind, beim Wort „greifen“ werden Areale im motorischen Cortex aktiviert. Wer an stressige Situationen denkt, aktiviert die Ausschüttung von Stresshormonen.

Viele Körperempfindungen sind uns nicht bewusst und sehr oft übergehen wir körperliche Rückmeldungen, die eigentlich wichtig wären: Wir bemerken die Anspannung im Nacken erst, wenn es eine handfeste Verspannung ist. Wir bemerken das heiße Kribbeln im Bauch von sich anbahnender Wut nicht, wir bemerken nicht, wenn wir uns in Gegenwart anderer kleiner machen.

Embodiment bedeutet auch, uns mit uns selbst verbunden zu fühlen. Je besser die Körperwahrnehmung, desto besser können wir auch für uns sorgen. Viele Menschen erleben sich selbst auch als eine Art Kopffüßler: ihr Verstand ist sehr präsent, sie fühlen sich aber abgeschnitten von ihrer feinen Gefühls- und Körperwahrnehmung.

Der intensive Konsum digitaler Medien und eine hohe Stressbelastung fördern Gewohnheiten, durch die wir uns von unseren körperlichen Empfindungen und Bedürfnissen abspalten. Viele Menschen haben einen tiefen Wunsch sich verbundener zu fühlen: mit sich selbst und mit anderen.

Die Wahrnehmung von Körperemepfindungen kann durch Übung verbessert werden. Achtsamkeitsübungen wie der „Body Scan“ schulen die Körperwahrnehmung und machen uns wach für die vielen feinen Rückmeldungen unseres Organismus. Es gibt Übungen, um Körperempfindungen, die mit bestimmten Gefühlen einhergehen differenzierter wahrzunehmen und Gefühlsempfindungen „durchfließen“ zu lassen. Durch Atemübungen, Schüttel- und Schaukelbewegungen, Berührungen und Massagen lernen wir uns besser zu spüren und das Nervensystem zu beruhigen.

Embodiment als Ressource für die Selbstregulation nutzen

Obwohl wir aus unserer Alltagserfahrung und aus der Forschung wissen, dass die Haltung, die man einnimmt und die Art, wie man sich bewegt, Einfluss auf das psychische Befinden hat, wird dies als Ressource im Alltag noch wenig genutzt. Aufwärtsbewegungen, Armschwingen und wippende Bewegungen fördern beispielsweise eine positive Stimmung. Diese Befunde kannst du sicher aus deiner Erfahrung bestätigen: Tanzen oder hüpfen macht fröhlich!

Über den Körper ist es in vielen Situationen möglich, sich unmittelbar in eine andere Stimmung zu bringen. Das heißt nicht, dass im Sinne von eben mal „Kopf hoch“ eine Depression geheilt werden kann. Es geht hier auch nicht darum so genannte „negative“ Gefühle zu unterdrücken oder weghaben zu wollen. Alle Gefühle haben eine Botschaft für uns, die es gilt achtsam wahrzunehmen und anzuerkennen.

Es geht darum, das Potential, das die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche mit sich bringt, für die eigene Selbstregulation nutzen zu können.

Wer in einer schlechten Stimmung ist, nimmt auch äußere Umstände negativer war: andere Menschen wirken unfreundlich, der eigene Fokus liegt auf dem was nicht funktioniert und nicht erfreulich ist. Eine Abwärtsspirale kommt in Gang. Wer weiß, wie er/sie sich über den Körper wieder in eine bessere Stimmung bringt, hat eine wertvolle Ressource für mehr Lebensfreude im Gepäck.

Die Stimmung verändern

    1. Entscheide dich für eine Stimmung, die du entwickeln möchtest.
    2. Wie sind deine Haltung und deine Mimik, wenn dir so zumute ist, wie du es dir wünschst?
    3. Wenn du „heiter und gelassen“ sein möchtest, könntest du zum Beispiel locker und aufrecht stehen, zurückgelehnt sitzen, mit schwingenden Armen und weichem Schritt gehen, lächeln, dich mit offenem Blick interessiert umschauen …
    4. Probiere aus, was zu dir passt – es gilt, die Gehirnmuster zu aktivieren, die für dich persönlich zu dem Gefühl „heiter und gelassen“ gehören. Je besser das gelingt, desto rascher und tiefgreifender kann sich deine Stimmung in die gewünschte Richtung ändern.

Embodiment im Coaching: Die Kraft der inneren Bilder

Eine typische Körperhaltung prägt langfristig die inneren Einstellungen und Werte eines Menschen. Wer sich durch nach vorne gekrümmte Schultern ständig kleiner macht als er eigentlich ist, wird höchstwahrscheinlich nicht vor Selbstbewusstsein strotzen.

Umgekehrt zeigt sich eine neue innere Haltung häufig auch in einem veränderten Körperausdruck. Dieses Embodiment, also die Verkörperung der Veränderungsabsicht über die Haltung und den Ausdruck, kann als Ressource in Veränderungsprozessen genutzt werden. Veränderung bedeutet, dass eine Umstrukturierung im Gehirn stattfindet: es werden neue neuronale Verbindungen geschaffen.

Um eine neue innere Einstellung zu entwickeln, ist es hilfreich die Kraft innerer Bilder zu nutzen. Im Zürcher Ressourcen Modell – ZRM® wird über ein Bild oder eine Metapher eine innere Verfassung erarbeitet, die unmittelbar spürbar ist.

Ist das Ziel einer Person beispielsweise „selbstbewusster werden“ sucht sie/er nach Bildern die sie/er mit dem gewünschten Verhalten verbindet. Was bedeutet es für die Person selbstbewusst zu sein? Erhaben und verwurzelt zu sein wie ein Baum, aufrecht und stolz wie eine Sonnenblume, kraftvoll wie ein Tiger? Über die Exploration des körperlichen Ausdrucks zum Bild wird ein individuelles Embodiment erarbeitet. Wie sitze ich erhaben wie eine Sonneblume? Verändert sich mein Gang duch das Bild des kraftvollen Tigers? Über das Bild und das Embodiment kann die gewünschte innere Verfassung so lange im Altag stimuliert werden, bis sie im Erleben der Person tief verankert ist.

Zum kostenfreies Erstgespräch

Du möchtest eine neue innere Haltung entwickeln und dabei die Kraft der inneren Bilder nutzen? Melde dich bei mir für ein kostenfreies Erstgespräch.

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